Endlich Anerkennung für die Pflege!

Mehr als lobende Worte sind nötig, um unersetzliche Arbeit gut leisten zu können


 

Ergebnisse der Diskussionen

Personal-mangel

Unterschiedliche Studien nennen diverse Zahlen. Vermutlich liegt die aktuelle Personallücke in der Pflege irgendwo zwischen 35.000 und 80.000 Stellen. Im Jahr 2030 wird dieser Personalmangel bis auf 400.000 Stellen auch aufgrund der demographischen Entwicklungen anwachsen können.

Tagtägliche Überlastung

Dabei wird schnell klar, dass seit den 90er Jahren die Arbeitsbelastung für PflegerInnen kontinuierlich gestiegen ist. Durch Reformen vielen 15% der Stellen in der Pflege weg. Die Einsparungen flossen in neue Arztstellen und ärztliche Tariferhöhungen. Darüber hinaus wurden Investitionen beispielsweise in Krankenhäuser aus den Einsparungen finanziert und damit die Haushalte von Ländern und Kommunen entlastet. Zusätzlich reizen die aktuellen gesetzlichen Grundlagen sogar noch dazu an, dass am Personal gespart wird. So können private Heimbetreiber den Profit noch oben treiben.

Entscheidungen über Leben & Tod

Das Verhältnis von PflegerInnen zu Patienten kann gerade im Nachtdienst aufgrund von Dienstausfällen auf 30 bis 50 zu 1 ansteigen. PflegerInnen berichten immer wieder davon, dass sie in diesen Situationen über Leben oder Tod entscheiden, weil kein Arzt oder Kollege verfügbar ist.

Fehlende Anerkennung

PflegerInnen wünschen sich, dass ihnen die Gesellschaft den Rücken freihält. Wir sollen sicherstellen, dass sie angemessen bezahlt werden und dass die Betreuungsschlüssel so kalkuliert werden, dass der Kern des Berufes wieder Geltung bekommt: kümmern, betreuen, umsorgen - dass sind die Synonyme für „pflegen“.

Fehlende Interessenvertretung

Wer in Norwegen zu arbeiten anfängt, der wird zwei Dinge gefragt. Zuerst fragt man: Sprichst du norwegisch? Und dann: Bist du in einer Gewerkschaft? Denn in Skandinavien ist es selbstverständlich sich als Arbeitnehmer zu organisieren. Ob als Bauarbeiter oder Pfleger, Organisation gehört dazu. Der Grund dafür ist einfach: Wer sich nicht organisiert, der wird gefressen. Der kann seine Interessen und Wünsche nicht durchsetzen und hat es auch schwer auf Probleme und Missstände in seinem Beruf aufmerksam zu machen.

Gerade in der Pflege wäre das aber bitter nötig. Sind es doch immerhin fast 50% Privatbetreiber, die profitorientiert Altersheime leiten. Gleichwohl ist der gewerkschaftliche Organisation gering. Die PflegerInnen möchten nicht in den Streik treten, weil die Patienten sonst die Leidtragenden sind. Das ist mehr als verständlich und hilft dennoch nicht.

Mehr Autonomie und Verantwortung

PflegerInnen in anderen Ländern sind Ärzten hierarchisch gleichgestellt und agieren auch so. Nicht alles muss der Arzt anordnen und begleiten, sondern kann darauf warten, von kompetenten PflegerInnen im richtigen Augenblick hinzugerufen zu werden. Daran sollten wir uns wieder ein Beispiel nehmen. Hierzulande sind die PflegerInnen - auch aufgrund mangelnder Interessenvertretung - zu sehr in ihren Verantwortlichkeiten beschnitten worden.

Verbesserte Ausbildung

Gleichstellung von Alten- und Krankenpflege, Vereinheitlichung der Berufsausbildung, Aufwertung zu einem Studiengang, das alles sind Möglichkeiten der Verbesserung in der Ausbildung zum Pfleger oder zur Krankenschwester. Die Effekte sind bestenfalls mittelfristig zu spüren und nur dann, wenn der Pflegeberuf im Vergleich zu anderen Berufen attraktiver wird.

Ob junge Menschen lieber pflegen als backen oder schnacken wollen, hängt aber an einer Vielzahl von Gründen. Nicht zuletzt Bezahlung, Arbeitszeiten und gesellschaftlicher Anerkennung. Da sieht es im Vergleich eher düster aus.

Gesetzliche Grundlagen verbessern

Die Gesetzesnovellen aus den letzten 15 Jahren weisen zwar inhaltlich alle in die richtige Richtung. So etwa das Familienpflegezeitgesetz - ein Gleitzeit-Arbeitskonto zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege. Doch kaum jemand nutzt es. Vielleicht weil der Arbeitgeber zustimmen muss, weil der Papierkram überbordend ist, weil man von diesem Gesetz noch nichts gehört hat?

Gesetze und Richtlinien der Selbstverwaltung im Gesundheitssektor, die pragmatische, unbürokratische Lösungen fördern und nach kurzer Testphase überprüft und angepasst werden, sind eine Seltenheit. Die Familienpflegezeit weist inhaltlich den richtigen Weg, müsste aber vermutlich unabhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers werden und Teil der Erstberatungen sein, um häufiger Anwendung zu finden. Es braucht mehr Esprit und Mut, die Dinge auszuprobieren, anzupacken und anzupassen.

Kleckern, statt klotzen

13.000 Stellen in der Pflege sollen im Rahmen eines Sofortprogramms geschaffen werden. Soviel ist sicher! Aber bringt das überhaupt etwas? Ist das nur der Tropfen auf den heißen Stein, gibt es überhaupt genügend geeignetes Personal, wo doch sowieso schon PflegerInnen fehlen? 

Aber die eigentliche Frage lautet: wieso 13.000 Stellen, wenn doch weit mehr Stellen fehlen? Hat die Politik also längst aufgegeben oder gibt es irgendwo Anzeichen dafür, dass wir uns auf die mittelfristig noch weit größer werdenden Personalsorgen in der Pflege vorbereiten?

Richtige Strategien

Häusliche Pflege ist weniger personalintensiv als ambulante oder gar stationäre Betreuung. Für viele Menschen ist es zudem ein großer Wunsch in gewohnter Umgebung die letzten Stunden zu verbringen. Man sollte meinen, der Staat würde in einer Situation des akuten und wachsenden Personalmangels in der Pflege alles dafür tun, um die häusliche Pflege zu fördern. Dennoch sterben 80% der Deutschen in Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Von Fehlern in der Umsetzung kann hier gar nicht die Rede sein. Hier mangelt es an der richtigen Strategie.

Mehr lokale Verantwortlichkeit

Dass der einzelne Pfleger keinen Einfluss auf die Krankenhausleitung nehmen kann ist klar. Dass die Selbstverwaltung im Gesundheitssektor sich nicht gerne selbst abschafft, um Bürokratie abzubauen kann man auch nachvollziehen. Aber was kann beispielsweise die Stadt Leipzig eigentlich tun?

Gehen die städtischen Einrichtungen mit gutem Beispiel voran? Was sind die konkreten Möglichkeiten die Probleme in der Pflege auf lokaler Ebene anzugehen?

Löhne in Eigenbetrieben

Warum wird die Eigentums-und Profitstruktur des Gesundheitssystem nicht stärker in Frage gestellt? Auf lokaler Ebene würde das bedeuten, dass zumindest die städtischen Pflegeeinrichtungen mit gutem Vorbild vorangehen, und bessere Löhne zahlen. Der Eigenbetrieb kann ruhig Verlust machen, wenn die Löhne der PflegerInnen sich in höherem Konsum und damit höheren Steuereinnahmen der Stadt bemerkbar macht. Zudem sollte Humanität in der Pflege für die Stadtgesellschaft ein Wert sein, den sie sich auch etwas kosten lässt. Derartige Diskussionen und Auseinandersetzungen über Richtlinien für Eigenbetriebe fehlen bislang gänzlich. Die städtische Gesellschaft sowie die Stadträte selber sind hier gefordert.

Arbeitsbedingungen in Eigenbetrieben

Warum trägt die Stadt nicht durch die Förderung und Unterstützung von Teilzeitbeschäftigung zu einer solidarischen Stadtgesellschaft bei, damit Menschen bei weniger Lohnarbeit mehr Zeit für Sorge ihrer Angehöriger hätten? Damit ließen sich akute Personalprobleme in der Pflege vor Ort in den Griff bekommen, weil die Pflege im häuslichen Umfeld erleichtert würde. 

Dadurch würden ambulante Pflegedienste , die häufig kleinteilig und lokal organisiert sind, gestärkt, was die Steuereinnahmen erhöht. Im Gegensatz dazu sind Altenheime inzwischen häufiger Teil von Konzernen, deren Profite sicherlich nicht vor Ort in Leipzig versteuert werden. 

Volkswirtschaftlich betrachtet ist es ohnehin ziemlich klar, dass die Vollzeitpflege in Altenheimen ein Verlustgeschäft ist. Der Betrieb von Pflegeheimen ist personalintensiv, teuer, schwer zu kontrollieren und die Profite kommen nur wenigen zugute. Hätten wir flexiblere Arbeitszeitmodelle könnten viele Pflegetätigkeiten in den Familien günstiger und einfacher aufgefangen werden, ohne dass viel von dem Know-how und der Wertschöpfung der Erwerbsarbeit verloren ginge.  Auch hier fehlen Richtlinien für Eigenbetriebe. 

Nachbarschaftsnetzwerke

Wieso setzt die Kommune Leipzig nicht den Rahmen für alternative Pflegemodelle, in dem Sie verstärkt auch Nachbarschaftsnetzwerke einbeziehen? Die Niederlande könnten uns ein Vorbild sein, weil sie mit diesem Modell die häusliche Pflege fördern, Laien einbeziehen und damit Kosten und Personalbedarf senken. Die Stadtvertreter der Stadt Leipzig sahen dies nicht einmal als ihre Aufgabe an, weil dies nichts mit dem Budget der Stadt zu tun hätte.

Fazit

Die Politik wird die richtigen Lösungen für die Probleme in der Pflege nicht alleine finden und umsetzen. Patienten, PflegerInnen und die Stadtgesellschaft insgesamt sind gefragt. Wir können und sollten nicht warten. Schreiben Sie uns, wenn Sie sich beteiligen möchten!

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